Die Berliner Mauer ist gefallen – aber in den Erinnerungen der tauben Menschen aus Ost und West lebt sie weiter

Es ist schon 35 Jahre her, dass die Berliner Mauer gefallen ist und die Menschen aus Ost und West wieder vereint hat. Aber für gehörlose Berliner sind die Erinnerungen an eine Zeit, in der eine Mauer nicht nur eine Stadt, sondern auch ihr Leben teilte, noch sehr lebendig. In dieser dokumentarischen Reflexion treffen wir Norbert und Andreas – zwei gehörlose Männer, die auf unterschiedlichen Seiten der Mauer aufgewachsen sind – und die nun ihre Gedanken über Gemeinsamkeiten, Unterschiede und darüber teilen, wie sich ihr Leben nach 1989 verändert hat.

Die Berliner Mauer, die 1961 errichtet und 1989 abgerissen wurde, hat mehr als nur eine Stadt geteilt – sie hat Leben und Realitäten geprägt. Norbert und Andreas, beide taub und in Berlin lebend, sind auf beiden Seiten dieser symbolträchtigen Barriere aufgewachsen. In einem Gespräch voller Humor und Ernst erzählen sie von Kindheitserinnerungen, Alltagserlebnissen und den Unterschieden zwischen den beiden Seiten der Mauer.

Norbert, der in West-Berlin aufgewachsen ist, erinnert sich an bunte Autos, gut gefüllte Läden und ein Gefühl von Freiheit. Andreas hingegen lebte in Ost-Berlin, wo der Zugang zu Gütern eingeschränkt war, das Leben einfacher war und die Propaganda über die Dekadenz des Westens das Bildungswesen durchdrang – sogar in Gehörlosenschulen. Dennoch, sagt er, gab es eine starke Unterstützung unter den Menschen.

„Wir waren im Osten nicht deprimiert. Wir haben uns gegenseitig unterstützt“, sagt Andreas.
„Aber als ich in den Westen kam, war ich erleichtert.
Die Luft war sauberer, alles war bunter“, fügt Norbert hinzu.

Die Mauer kam über Nacht. Niemand im Osten wusste, dass sie gebaut wurde – nicht einmal die Kinder. Für Andreas bedeutete dies plötzlich das Ende der Besuche bei Verwandten im Westen. Für Norbert wurde die Mauer zu einer Barriere der Ungewissheit und Neugier.

Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft fanden taube Menschen aus Ost und West Wege, miteinander in Kontakt zu treten – manchmal durch Sport. Norbert erinnert sich, wie sie versuchten, ein Wasserballspiel zwischen den beiden Seiten zu organisieren, aber die Pläne wurden von der Stasi vereitelt. Dennoch wuchs die Neugier und der Wunsch, einander zu verstehen.

Als die Mauer am 9. November 1989 fiel, war das ein Schock – aber auch eine große Freude. Norbert wohnte damals nur 150 Meter von der Mauer entfernt.

„Ich hab gemerkt, dass die Soldaten weg waren, und hab die Nachrichten im Fernsehen gesehen. Ich war super glücklich – nicht für mich, sondern für meinen Sohn. Er würde in einer freieren Welt aufwachsen“, sagt er.

Aber die Wiedervereinigung war nicht einfach. Viele ältere Menschen im Osten hatten Probleme, sich an das neue bürokratische System, die Arbeitslosigkeit und die gesellschaftlichen Veränderungen zu gewöhnen. Für Norbert und Andreas gibt es immer noch Unterschiede in der politischen Denkweise, in den Strukturen und im sozialen Umgang miteinander.

Trotzdem haben sie die Jahre einander nähergebracht. Am ersten Jahrestag des Mauerfalls trafen sich taube Menschen von beiden Seiten im Gehörlosen-Zentrum in Ost-Berlin. Die Feier war gut organisiert, die Tische ordentlich gedeckt – viel strukturierter, als Norbert es aus dem Westen gewohnt war. Es fühlte sich seltsam an, aber es war der Beginn einer neuen Gemeinschaft.

„Wir saßen in Gruppen, nicht gemischt. Das war komisch. Aber wir haben angefangen, uns zu verbinden“, sagt er.

Heute sind Andreas und Norbert gute Freunde. Ihre Geschichte zeigt, wie sehr gesellschaftliche Strukturen das Leben prägen können, aber auch, wie der Wunsch der Menschen nach Verständnis und Zusammenhalt Mauern überwinden kann – sowohl physische als auch mentale.

Teckenbro, Schweden